Die Arbeitsgemeinschaft Volkstanz in Südtirol feierte im Jahr 2010 ihr 50. Bestandsjubiläum. Volkstanz hat es in unserem Lande natürlich vor der Gründung der Arbeitsgemeinschaft auch gegeben, aber seit dem 31. Jänner 1960 wird auf dem bestehenden Kulturgut aufbauend in organisierter Form an der Wiederbelebung und Verbreitung des überlieferten Tanzgutes gearbeitet, das leider aus den bekannten politischen Gründen als Folge der Kriegswirren fast vollkommen in Vergessenheit geraten war.
Wie im gesamten süddeutschen Raum war auch in Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg das Interesse an traditionellen Tänzen wieder aufgeblüht. Durch die faschistische Machtergreifung und Unterdrückung aller volkskulturellen Tätigkeiten ist auch der Volkstanz verboten worden und konnte nur mehr im Geheimen, in den privaten Stuben und auf entlegenen Almen, wo das Auge des Gesetzes nicht hinreichte, weiter gepflegt und betrieben werden.

In Bezug auf die Brauchtumspflege hat diese Zeit trotz allem auch etwas Gutes gebracht. Aufgrund der vielen Verbote waren diese Traditionen sehr geschätzt und wurden deshalb für spätere Generationen erforscht und aufgezeichnet, so dass uns heute sehr umfangreiche Informationen zu Tänzen und Liedern zur Verfügung stehen. Auf dem Gebiete des Volkstanzes war es vor allem Prof. Karl Horak, dessen Aufzeichnungen auch heute noch den Grundstein für unsere Tätigkeit darstellen.

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte man in unseren Breitengraden zunächst andere Sorgen, der wirtschaftliche Wiederaufbau war vorrangig. Doch allmählich begann sich auch das Interesse für Brauchtum und überlieferte Werte wieder zu regen. Es waren zuerst einzelne Versuche von Volkstanzbegeisterten, einige wenige Gruppen aufzubauen. Gelegentliche Auftritte dieser Gruppen und häufigere Anfragen von auswärts gaben den Anstoß, dem Volkstanz größere Aufmerksamkeit zu widmen.

Im Jahre 1956 fand in Lienz eine erste gesamt-österreichische Volkstanzwoche statt, zu der Prof. Luis Staindl über Prof. Karl Horak eingeladen wurde. Eine Reihe von Fachleuten vermittelte theoretische und praktische Kenntnisse und nach den dabei gemachten Erfahrungen und den Kenntnissen aus verschiedenen Bundesländern wurden zwölf einfache, allgemein bekannte Tänze als "Grundtänze" ausgewählt und für die österreichischen Gruppen als verbindlich erklärt. Daneben wurde viel Wert auf die Erhaltung bodenständiger eigener Formen gelegt.

Nach mehreren Gesprächen mit dem damaligen Geschäftsführer des Verbandes Südtiroler Musikkapellen (VSM), Hans Nagele, reifte allmählich der Entschluss, ähnlich den erfolgreichen Kursen des VSM einen eigenen Ausbildungslehrgang für Volkstanz durchzuführen, der dann 1958 in Zusammenarbeit vom Landesverband für Heimatpflege und dem Assessorat für Schule und Kultur der Südtiroler Landesregierung im St.-Georgs-Heim in Bozen durchgeführt wurde. Mit einer bescheidenen Anzahl von 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war er der Anfang für das Aufkommen bzw. Erweitern der Tätigkeit zahlreicher Tanzgruppen und schuf die ersten Voraussetzungen für die Gründung des Dachverbandes. Ein zweiter Lehrgang fand unter derselben Leitung 1959 in Mühlbach statt, an dem sich bereits 25 Interessierte beteiligten und infolge dessen wiederum neue Gruppen entstanden.
Da diese Lehrgänge äußerst erfolgreich über die Bühne gegangen waren und großen Zuspruch gefunden hatten, ergaben sich der Wunsch und die Notwendigkeit eines organisatorischen Zusammenschlusses, um eine Verbindung zwischen den einzelnen Gruppen herzustellen und um die Arbeit gemeinsam auszurichten und zu koordinieren.

Auf Anregung des Landeskulturrates und Hans Nageles wurde am 31. Jänner 1960 die Arbeitsgemeinschaft als Teilorganisation des Landesverbandes für Heimatpflege aus der Taufe gehoben. Die Gründungsversammlung fand im Hotel Krone in Brixen statt. Von den damals vertretenen Volkstanzgruppen bestehen heute noch jene  aus Brixen, Lana und Wiesen, während die Gruppen AVS Bruneck, Leifers, AVS Meran, Meransen, Sterzing, St. Johann/Ahrn, Vahrn, Sand in Taufers und Spinges ihre Tätigkeit eingestellt haben.
Zum Vorsitzenden wurde das Vorstandsmitglied des Landesverbandes, Prof. Luis Staindl, bestimmt, der diese Funktion 25 Jahre lang inne hatte. Die Hauptzielsetzung der Arbeitsgemeinschaft wurde vom Vorsitzenden in einem Einführungsreferat kurz dargelegt: Die Volkstanzpflege vertritt den Standpunkt, dass es viel wichtiger ist, dass 100 Paare fünf Tänze können, als fünf Paare 100 Tänze.

Am 19. November 1960 wurde die "Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz" gegründet, in dessen Vorstand alle Bundesländer vertreten sein sollten. Unsere Arbeitsgemeinschaft erhielt über Prof. Karl Horak Verbindung dazu. Prof. Staindl wurde in seiner Funktion als Vorsitzender zum Vertreter Südtirols in deren Vorstand ernannt. Dank dieser Beziehungen war es immer wieder möglich, Fachleute aus Österreich, besonders aus Kärnten, für die Lehrgänge zu engagieren.
Die jährliche Durchführung einer Ausbildungswoche - 1960 in Sand in Taufers, 1961 wieder in Bozen und 1962 in Meransen - führte zwar zur Gründung neuer Gruppen, aber es zeigte sich bald, dass mit nur einer Woche die Ausbildung der Tanzleiterinnen und Tanzleiter nicht gewährleistet werden konnte. Daher beschloss der Vorstand, im Jahre 1962 zusätzlich Wochenendkurse an verschiedenen Orten des Landes abzuhalten und nach Möglichkeit auch einzelne Gruppen direkt zu betreuen. Ab dem Jahre 1961 durfte man außerdem auch zwei bis drei Paare zu den Ausbildungswochen der Bundesarbeitsgemeinschaft schicken, so dass die Arbeit in den Gruppen mehr und mehr durch entsprechend ausgebildete Tanzleiter verbessert werden konnte.

Der Almtanz - ein ganz besonderes Tanzfest in luftiger HöheDer Auftanz - traditioneller Beginn jedes TanzfestesDer Bandltanz verbindet

Um den Zusammenhalt zwischen den Gruppen zu fördern, wurden ab 1963 jeweils im Sommer Gruppentreffen - jetzt Almtanz genannt - durchgeführt, ab dem Jahre 1964 Winterlehrgänge, ab 1965 im November der Kathreintanz und ab 1971 auch Maitänze in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Volkstanz Tirol.

Neben diesen Veranstaltungen, die alljährlich auf dem Programm stehen, wurde mit den alpenländischen Volkstanztreffen in den Jahren 1978 und 1990 zweimal ein Treffen der besonderen Art organisiert. Die vielfach verwandten Tanzformen innerhalb des Alpenbogens bildeten den Grundgedanken für diese Treffen an denen sich jeweils über tausend Tänzerinnen und Tänzer beteiligten.

Primäres Ziel der Arbeitsgemeinschaft Volkstanz in Südtirol ist es aber geblieben den Volkstanz allmählich wieder zum "Tanz des Volkes" zu machen. Dazu wurde zunächst eine größere über das Land verteilte Gemeinschaft geschaffen werden, für die der Volkstanz zum Lebensinhalt wurde. Dem stand zum Teil noch die weit verbreitete Ansicht entgegen, Volkstanz sei nur für eine Gruppe zum Vorführen auf einer Bühne geeignet, nie jedoch für den allgemeinen Tanz. Seit Jahren kannte man nämlich nichts anderes als Vorführungen größerer und schwierigerer Tänze auf der Bühne.
Den Anfang machte man in Lana mit ersten "Offenen Tanzen" und auch andere Gruppen folgten dieser Idee und ergriffen in den jeweiligen Dörfern die Initiative. Zuerst kamen meist nur ehemalige Gruppenmitglieder der Einladung nach, doch langsam sprach es sich herum, dass zum offenen Tanzen keine besonderen Kenntnisse erforderlich seien und jeder, der Freude am Volkstanz habe, mittun könne. Bis heute erfreut sich dieses "Offene Tanzen" großer Beliebtheit und vor allem in den letzten Jahren ist die Nachfrage nach derartigen Veranstaltungen sehr stark angestiegen.